Die soziale Integration von Menschen steht in engem Zusammenhang mit dem öffentlichen Raum. Städte waren und sind immer Lebensräume für Menschen, soziale Schmelztiegel und Verdichtungspunkte des zwischenmenschlichen Miteinanderlebens.
Wie dieses gesellschaftliche Ziel im Zusammenhang mit dem öffentlichen Raum steht, ist jedoch nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Der Public-Space-Cycle von BURRI visualisiert diesen Zusammenhang.
Der Public-Space-Cycle zeigt auf, dass soziale Integration im öffentlichen Raum nur durch das Vorkommen sich gegenseitig bedingender und positiv beeinflussender Faktoren entstehen kann.
Public spaces are more important than buildings. They make a city alive.
Amanda Burden, ehem. Stadtplanerin von New York
Wie entsteht Partizipation der Bevölkerung am öffentlichen Leben?
Die soziale Integration von Menschen in einer Stadt zeigt sich durch einen hohen Grad an Partizipation der Bevölkerung am öffentlichen Leben. Es ist essenziell für gut funktionierende öffentliche Räume, dass sich die Bevölkerung aktiv für sie interessiert und sich bei ihrer Gestaltung und Nutzung einbringt. Es bedeutet aber auch, dass die Menschen sich für die öffentlichen Räume mitverantwortlich fühlen müssen, und dass sie sich für sie einsetzen und ihnen Sorge tragen.
Erst wenn Menschen von «ihrem» Quartier, «ihrem» Platz oder sogar von «ihrer» Sitzbank sprechen und das wirklich so empfinden, werden sie aktiv, beleben den öffentlichen Raum währendem sie ihm gleichzeitig Sorge tragen. Wenn eine genügend grosse Anzahl von Mitmenschen diesen Beispielen folgen, entstehen partizipative Handlungen, die aus der reinen Identifikation eine nachhaltig gelebte Partizipation entstehen lassen. Das kann zum Beispiel eine selbstverwaltete Einrichtung für Urban Gardening in einer Strasse auf Initiative der Anwohnenden sein oder die gemeinschaftliche Nutzung von Brachen in einer Stadt. Aber auch Aktionen wie Cleaning Days oder der «Quartier-Stammtisch» an einem schönen Picknick-Tisch auf dem Spielplatz im Quartier.
Damit ein Mensch in diesem Kontext von «seinen» Dingen, «seinen» Public Elements sprechen kann, müssen diese in genügend grosser Anzahl, gut gepflegt und einladend gestaltet für ihn bereitstehen. Nur durch die Zuverlässigkeit und die uneingeschränkte, regelmässige Verfügbarkeit von öffentlichen Räumen und Einrichtungen, kann so ein Gefühl entstehen. Es ist daher wichtig, Räume sorgfältig zu planen und mit sehr hochwertig gestaltetem, funktional einwandfreiem Qualitäts-Mobiliar einzurichten. Sie sind eine Darreichung der öffentlichen Hand als Bühne für das Leben in den Quartieren. Die wahre «Magie» der Partizipation passiert erst, wenn die Bevölkerung sie für «ihre» Auffassung von öffentlichem Leben in «ihr» Zusammenleben miteinbezieht.
Was hat das mit Sicherheit zu tun?
Die gewünschte Partizipation wird von jedem Menschen anders wahrgenommen. Sie entsteht aber nur dort, wo sich Menschen «sicher» fühlen. Wenn, wie in der Schweiz grundsätzlich üblich, die Bevölkerung sich die öffentlichen Räume mehr oder weniger bedingungslos zu eigen machen kann, bringt das automatisch auch Bedenken um die Sicherheit mit sich.
Denn die oben beschriebene, erwünschte Partizipation bedeutet eben auch, dass die Bevölkerung die Räume nach ihrem Gutdünken und vielleicht nicht immer nach dem von Planern und Eigentümern für sie «vorgesehenen» Zweck benutzt. Dass auf diese Art Nutzungskonflikte entstehen, liegt auf der Hand. Nutzungskonflikte im öffentlichen Raum sind ja letztlich nichts anderes als eine unterschiedliche Auffassung darüber, wie/wann/wie lange/wie oft/wie intensiv einzelne Bevölkerungsteile am öffentlichen Leben teilnehmen und dabei öffentliche Räume und Einrichtungen für sich beanspruchen.
Dass so seitens Politik, Verwaltung und Gesellschaft gewisse Güterabwägungen vorgenommen werden müssen, ist eine logische Konsequenz. Wie viel wir als Gesellschaft in die «Sicherheit» investieren sollten und wie «sicher» denn nun «sicher» ist, darüber streiten sich die Geister wohl noch länger. Eine Grundbedingung bleibt: Für die Partizipation am öffentlichen Leben und die geforderte und gewünschte soziale Integration ist immer auch ein gewisses Mass an «Sicherheit» nötig.
In erster Linie muss öffentlicher Raum so gestaltet und eingerichtet werden, dass Menschen den Aufenthalt in ihm als «sicher» wahrnehmen. Nur so werden sie ihn mit «Lebensqualität» in Verbindung bringen.
Welche Rolle spielt die Lebensqualität?
Alle Menschen empfinden unterschiedlich, wenn sie danach gefragt werden, was «Lebensqualität» für sie bedeutet. Wohlbefinden ist immer subjektiv. Ein öffentlicher Raum ist dann eine Quelle hoher Lebensqualität, wenn er es schafft, dass sich die Leute gerne in ihm aufhalten und sich darin entfalten.
Eine hohe Lebensqualität in einer Stadt und die Ausgaben der öffentlichen Hand für deren öffentlichen Räume korrelieren dabei miteinander. Es nicht verwunderlich, dass sich in den jährlich veröffentlichen Städterankings oft Städte auf den vorderen Plätzen finden, in denen viel Wert auf gute öffentliche Räume gelegt wird. Städte, denen die Hochwertigkeit, Sauberkeit und wahrgenommene Sicherheit im öffentlichen Raum wichtig ist. Städte, die diesen Raum mit Sorgfalt und Umsicht planen, bauen, einrichten und pflegen.
Die öffentlichen Räume sind die Visitenkarte jeder Stadt und somit auch immer ein Mittel des Standortmarketings.
Gute öffentliche Räume sind wahre Quellen hoher Lebensqualität. Sie sind immer auch ein Produkt ihrer Umgebung, eine Konsequenz aus ihrer Nutzung und abhängig davon, was die Menschen in einer Stadt aus ihnen machen bzw. wie viel Wert sie ihnen beimessen.
Was sind gute öffentliche Räume? Was macht gute öffentliche Räume aus?
Ein guter öffentlicher Raum sorgt also für die soziale Integration von möglichst allen Menschen, die ihn nutzen. Dazu muss er dergestalt geplant und eingerichtet sein, dass er möglichst viele Menschen dank einer hohen Lebensqualität und wahrnehmbarer Sicherheit zur Partizipation am öffentlichen Leben einlädt. Klingt logisch, ist logisch, aber ist es auch realistisch?
Natürlich – wenn man versteht, dass öffentlicher Raum immer dann funktioniert, wenn möglichst viele Bedürfnisse möglichst gut miteinander vereint werden können. Nur, die Bedürfnisse verschiedener Anspruchsgruppen scheinen auf den ersten Blick nicht einfach miteinander in Einklang gebracht werden zu können.