Hier ein Auszug aus dem Kommentar von Eveline Althaus dazu:
"Dass der öffentliche Raum für unsere demokratische Gesellschaft fundamental wichtig ist und dass er allen gehört, ist in unserem Verständnis selbstverständlich. Aber sehen das auch breite Bevölkerungsschichten so? Was gehört für sie überhaupt zum öffentlichen Raum? Welche Eigenschaften schätzen sie daran? Und wie oft und zu welchen Zwecken nutzen sie ihn?
Im Mai 2025 haben 1110 Personen in der Deutsch-, Französisch- und Italienischsprachigen Schweiz diese Fragen in einer Omnibus-Befragung beantwortet."
Die repräsentativen Resultate liegen nun vor.
Besonders erfreulich daran ist: der Wert des öffentlichen Raums scheint breit anerkannt zu sein. Auf die offene Frage «was fällt Ihnen zum Begriff öffentlicher Raum als Erstes ein?» wird die Aussage, «dass er für alle zugänglich ist» (neben der Assoziation «ein Park») am meisten genannt. Und auch bei der offenen Frage, «was schätzen Sie am öffentlichen Raum am meisten?», wird, «dass es frei zugänglich und öffentlich für alle ist» am häufigsten gesagt.
Das entspricht einer Argumentation, die für uns ebenfalls zentral ist. Denn ob jung oder alt, ob arm oder reich, ob alteingesessen an einem Ort oder nur auf Durchreise: Der öffentliche Raum ist da für alle, was auch immer die Herkunft oder soziale Schicht, der Bildungsstand oder Lebensstil, die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung sein mag. In seiner Offenheit und Zugänglichkeit ist der öffentliche Raum gewissermassen ein Gegenpol zu den vielzitierten «Bubbles», in die sich unsere Gesellschaft zunehmend polarisiert. Denn hier treffen ganz unterschiedliche Lebensrealitäten aufeinander.
Erfreulich ist an den Umfrageergebnissen auch, dass die Leute generell ein Bewusstsein für ihren öffentlichen Raum zu haben scheinen. Dies zeigt sich gerade bei der Frage, «welche Einrichtungen gehören ihrer Ansicht nach zum öffentlichen Raum?». Die höchsten Zustimmungswerte erhalten dabei Parks, Fussgängerzonen, Plätze und Trottoirs. Demgegenüber weniger werden Verwaltungsgebäude oder Bibliotheken aufgeführt. "..."
Interessante Unterschiede eröffnen sich auch zwischen den Sprachregionen. In der Romandie und im Tessin werden Schulhausplätze, Bahnhöfe und Strassen deutlich weniger zum öffentlichen Raum gezählt als in der Deutschschweiz – Spielplätze allerdings mehr. "..."
"In der unmittelbaren Wahrnehmung ist öffentlicher Raum in erster Linie Raum, der Öffentlichkeit(en) schafft und damit Begegnung (welcher Art auch immer) ermöglicht – und das entspricht einem grundlegenden menschlichen Bedürfnis. Im Englischen wird für dieses breite Verständnis der Begriff «sites of publicness» (Orte von Öffentlichkeit) verwendet. Eigentumsstrukturen und damit zusammenhängende Reglementierungen spielen für die Nutzung des öffentlichen Raums aber durchaus eine wichtige Rolle.
Bei der Frage nach der Nutzungsfrequenz zeigen sich in der Umfrage Einkommensunterschiede: während Leute mit tiefen Einkommen häufiger angeben, dass sie den öffentlichen Raum «zum Verweilen und Entspannen» oder «für Sport und Bewegung» nutzen, tun dies Leute mit höheren Einkommen häufiger «für den Weg zur Arbeit oder zur Schule» und «zum Einkaufen». Bleibt für Vielbeschäftigte unserer Leistungsgesellschaft kaum Zeit für längere und kollektive öffentliche Raumnutzungen? Oder zeigt sich hier, was der Theoretiker sozialer Ungleichheit Pierre Bourdieu in seinem Werk «Das Elend der Welt» schon lange festgestellt hat – nämlich, dass wer über genügend Kapital verfügt, nicht nur die Möglichkeit hat, über mehr «physischen Raum» zu verfügen, sondern damit auch «unerwünschte Personen oder Sachen auf Distanz halten kann»?
Die Qualität, dass man im öffentlichen Raum «Begegnungen mit anderen Menschen» erleben und pflegen kann, wird ebenfalls von Städter:innen (aber auch von Haushalten mit Kindern) häufiger als wichtig hervorgehoben. Auf die Frage nach den wichtigen Eigenschaften des öffentlichen Raums, erhält die Antwortmöglichkeit, «dass es Orte gibt, wo man sich einfach treffen kann» im Vergleich zu Qualitäten der Sicherheit, der Sauberkeit und der Regelung des Verkehrs allerdings weniger Zustimmung. Zeigt sich hier unsere verhaltene «Bünzli-Schweiz»-Seite oder ist das einfach Ausdruck davon, dass sichere, saubere und gut funktionierende Orte einladender und attraktiver für die Nutzung sind?
Vergleichsweise am wenigsten wichtig ist den meisten die Möglichkeit, im öffentlichen Raum an politischen Kundgebungen teilnehmen zu können. Ob diese Einschätzung wohl in einem Staat mit weniger demokratischen Mitsprachemöglichkeiten auch so zurückhaltend ausfallen würde?"
Denn ob jung oder alt, ob arm oder reich, ob alteingesessen an einem Ort oder nur auf Durchreise: Der öffentliche Raum ist da für alle, was auch immer die Herkunft oder soziale Schicht, der Bildungsstand oder Lebensstil, die Geschlechtsidentität oder sexuelle Orientierung sein mag. In seiner Offenheit und Zugänglichkeit ist der öffentliche Raum gewissermassen ein Gegenpol zu den vielzitierten «Bubbles», in die sich unsere Gesellschaft zunehmend polarisiert. Denn hier treffen ganz unterschiedliche Lebensrealitäten aufeinander.
Eveline Althaus, Dr. sc. ETH