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Public space is Tummelplatz

Die geschichtliche Entwicklung unserer öffentlichen Räume verlief turbulent: Ursprünglich war der öffentliche Raum ein «Tummelfeld». Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die öffentlichen Räume von Menschen, Tieren (wie zum Beispiel Pferden) und ein paar wenigen motorisierten Gefährten beansprucht.

Bild Oeffentlicher Raum

Die angrenzenden Häuser zeichneten sich häufig durch schöne Vorgärten (Front Porches) aus, die – noch bevor das TV-Gerät Einzug in die Stuben hielt – zur Unterhaltung der Menschen in der damals spärlichen Freizeit dienten. Im Schaukelstuhl sitzend, beobachtete man das bunte Treiben auf der Strasse direkt vor dem Haus.

Mit dem Aufkommen des Automobils erfuhren diese «Tummelplätze» eine radikale Entwicklung. Innert weniger Jahre verschwand der bunte Mix und wurde durch den Verkehr ersetzt. Wo sich vorher noch Menschen unterhielten, Kinder spielten und Pferde liefen, fuhren auf einmal in definierten Spuren motorisierte Fahrzeuge in unterschiedlichen Ausprägungen. Das Auto eroberte die Städte – und das in Rekordtempo.


Diese Entwicklung hatte ihre intensivste Phase zwischen 1960 bis ins neue Jahrtausend hinein. Die Spuren davon sind heute weltweit zu sehen. Am besten in den Vereinigten Staaten von Amerika, wo es Grossstädte gibt, die gänzlich für das Auto entwickelt oder umgebaut worden sind. Auch in England kann man neben lebendigen Innenhöfen auch viele schöne «back yards» entdecken.

Vor gut 20 Jahren enstand ein neues Bewusstsein für diese Problematik, die in den letzten Jahren stark an Zuspruch gewonnen hat: An vielen Orten war und ist die Entwicklung der Städte für die darin lebenden Menschen nicht vorteilhaft.

Heute begreifen immer mehr Städte und Gemeinden die Qualität und Wichtigkeit von öffentlichen Räumen und beginnen, umzudenken. Man erinnert sich an die Nutzung und die Qualität der öffentlichen Räume vor dem Einzug des Automobils und dreht die Entwicklung um: Wo sich in den letzten Jahrzehnten eine Verkehrslawine durch die Innenstädte zwängte, entstehen nun immer öfter wieder neue Freiräume bzw. Fussgänger- und Negegenungszonen. Die Bilder der «wiedergewonnenen» öffentlichen Räume sind oft gar nicht mehr von den ursprünglichen «Tummelplätzen» zu unterscheiden. Schöne Beispiele dafür lassen sich in Kopenhagen oder auch Zürich finden.

Bild Zuerich
Bild Kopenhagen

Durch die Entwicklung verloren die «Front Porches» ihre Magie. Wer wollte schon – im Sessel sitzend – dem Einheitsbrei des Verkehrs zuschauen resp. seinem Lärm ausgesetzt sein? Nun schlug die Stunde der Inneneinrichtung, denn der Mensch zog sich im wahrsten Sinne des Wortes in das Innere seines Hauses zurück und entdeckte die Wichtigkeit einer schönen Inneneinrichtung. Wo es die Platzverhältnisse zuliessen, entstanden zudem die Innenhofgärten - dort war man vom Verkehrslärm geschützt.

Dieser Rückzug ins Innere der Gebäude und in die Innenhöfe hatte massgebliche Konsequenzen für das städtische Leben. Es war nun nicht mehr so einfach möglich, spontan anderen Menschen zu begegnen. Die Innenhöfe waren der unmittelbaren Nachbarschaft vorbehalten. Wer jemand bei sich zu Hause treffen wollte, musste diese Person zu sich nach Hause einladen. Vor dem Haus stieg derweil die Anzahl an Fahrzeugen jedes Jahr an. Um den Verkehrskollaps zu verhindern, wurden die Strassen immer weiter ausgebaut und die Fussgänger immer stärker marginalisiert. Dies wiederum führte dazu, dass der öffentliche Raum seine Fähigkeit zum sozialen Austausch weitgehend verlor.

Kopenhagen 1951 und 1961